Ich stand am Fenster und umklammerte das Whiskyglas so fest, dass meine Finger weiß wurden. Die Uhr an der Wand tickte bedrohlich, jede Sekunde schien länger als die vorherige.
Es war spät. Viel zu spät.
Und dann sah ich die Scheinwerfer.
Ein schwarzer Audi verlangsamte sich und hielt vor dem Wohnblock. Mein Atem stockte. Am Steuer saß ein Mann – groß, selbstbewusst, ein Fremder. Ein Unbekannter.
Dann öffnete sich die Beifahrertür.
Und meine Frau stieg aus.
Mein Magen zog sich zusammen. Sie lächelte – ein aufrichtiges, warmes Lächeln, eines, das ich schon lange nicht mehr an ihr gesehen hatte. Sie beugte sich zu dem Fahrer, sagte etwas, und er lachte. Er lachte.
Nach ein paar Sekunden schloss sie die Tür und ging zum Eingang, während das Auto davonfuhr.
Ich spürte, wie das Blut in meinen Adern kochte.
Wie lange ging das schon so? Wie oft hatte ich ruhig geschlafen, während sie aus dem Auto eines anderen stieg?
Die Tür unserer Wohnung öffnete sich, und sie trat ein, achtlos warf sie ihre Tasche auf den Tisch.
– „Wer war das?“ Meine Stimme war tief, bedrohlich.
Sie hielt abrupt inne und schaute mich überrascht an. – „Was?“
– „Der Mann im Auto. Wer war das?“
Sie seufzte genervt. – „Mein Gott, Andrei. Das war Cristinas Ehemann. Er hat mich nach Hause gebracht. Was stimmt nicht mit dir?“
Aber ich hörte nicht mehr zu.
Ich hörte nichts mehr über das Dröhnen meines Blutes in den Ohren, über die Gedanken, die mein Gehirn vergifteten.
Dann hob ich meine Hand.
Der Klang meiner Handfläche, die auf ihre Wange traf, zerriss die Stille des Raumes.
Sie stolperte einen Schritt zurück, führte ihre Hand an ihr Gesicht. Eine dünne Blutspur erschien an der Ecke ihrer Nase.
Schwere Stille setzte ein.
Ihre Augen weiteten sich, und darin sah ich etwas, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Angst.
Mein Herz zog sich zusammen.
Ich hatte eine Grenze überschritten.
Eine Grenze, hinter der es keinen Weg zurück gab.
Sie schrie nicht. Sie weinte nicht. Sie sagte nichts. Sie nahm einfach ihre Jacke vom Stuhl und ging.
Am nächsten Morgen erhielt ich die Scheidungspapiere.
Ich hatte alles verloren – einschließlich meines Sohnes.
– „Ich habe deine Eifersucht jahrelang ertragen,“ sagte sie während unseres letzten Gesprächs mit kalter, leerer Stimme. „Aber Gewalt werde ich niemals akzeptieren.“
Ich flehte sie um Vergebung an. Ich schwor, dass es ein Fehler war. Dass ich nicht so bin. Dass es nie wieder passieren würde.
Aber es war egal.
Und dann kam der letzte Schlag – vor Gericht sagte sie, ich sei auch meinem Sohn gegenüber aggressiv.
Eine Lüge.
Eine schmutzige, hinterhältige Lüge. Ich hatte nie meine Stimme gegen ihn erhoben, ihn nie wütend berührt.
Aber wer sollte mir glauben? Ein Mann, der seine Frau geschlagen hatte?
Der Richter zögerte nicht einmal.
Sie bekam das volle Sorgerecht.
Ich? Nur ein paar Stunden pro Woche. Ein Treffen pro Woche, an einem neutralen Ort.
Kein Zuhause. Keine Abende, an denen ich ihn ins Bett brachte. Keine Morgen, an denen ich ihm Frühstück machte.
Sechs Monate lang lebte ich nur für diese Stunden.
Für diese Momente, in denen er zu mir rannte, lachend, mich umarmend, mir Geschichten erzählend.
Und dann, jedes Mal, musste ich ihn gehen lassen. Musste zusehen, wie er sich entfernte, während ich allein zurückblieb.
Bis zu dem Tag, an dem er etwas sagte, das mein Leben veränderte.
Die Wahrheit, die mir mein fünfjähriger Sohn sagte
Er wuchs heran. Fing an, Dinge zu bemerken. Fragen zu stellen.
Und eines Tages, während er ruhig mit seinen Spielzeugautos spielte, sagte er mit der unschuldigsten Stimme:
– „Papa, gestern Abend war Mama nicht zu Hause. Eine Frau war da, um auf mich aufzupassen.“
Ich erstarrte.
– „Eine Frau? Welche Frau?“ fragte ich, bemüht, ruhig zu bleiben.
– „Ich weiß nicht. Sie kommt immer, wenn Mama abends weggeht.“
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
– „Wohin geht Mama?“
Er zuckte mit den Schultern. – „Sie sagt es mir nicht.“
Meine Hände begannen zu zittern.
Ich begann zu recherchieren. Ich musste die Wahrheit herausfinden.
Und als ich sie herausfand, wurde mir schwarz vor Augen.
Sie hatte ein Kindermädchen engagiert.
Während ich um jede Sekunde mit meinem Sohn bettelte, ließ sie ihn bei einer Fremden.
Ich griff zum Telefon und rief sie an.
– „Warum passt eine Fremde auf unser Kind auf, wenn ich hier bin?“
Ihre Stimme war ruhig, gleichgültig. – „Weil es einfacher ist.“
– „Einfacher?!“ Meine Kiefermuskeln spannten sich an. „Ich bin sein Vater! Wenn du nicht zu Hause bist, muss er bei mir sein!“
Sie seufzte. – „Andrei, ich werde ihn nicht jedes Mal zu dir bringen, wenn ich Pläne habe. Es geht nicht um dich.“
Ich drückte das Telefon so fest, dass ich dachte, es würde zerbrechen.
Was konnte ich tun? Sie verklagen? Um das Sorgerecht kämpfen? Aber was, wenn ich wieder verlor?
Ein einziger Fehler.
Ein einziger Moment der Schwäche.
Und ich hatte alles verloren.
Aber meinen Sohn?
Ihn werde ich nicht verlieren.
Ich werde kämpfen.
Denn er ist das Einzige, was mir noch bleibt.