„Wenn Liebe mit Rechnungen endet — die Geschichte von Arina, die aufhörte, sich und ihre Sachen zu teilen.“

— Und wo sind deine Kleider? Und warum hast du den Schmuck weggeräumt? — fragte die Schwägerin erneut, ohne anzuklopfen, diesmal wartete Arina jedoch auf sie.

Arina warf einen Blick auf die Uhr. Fünf vor sechs. Maria müsste jeden Moment erscheinen.

Sie zog die Schuhe aus, warf ihre Tasche auf das Sofa und ging in die Küche.

Sie öffnete den Kühlschrank — und wie erwartet, fand sie nur kaltes Licht und fast leere Regale.

Nach einem ganzen Tag im Lager, wo sie das Chaos in der Buchhaltung geregelt hatte, hatte sie ganz vergessen zu essen.

Es klingelte an der Tür. Arina atmete tief ein und versuchte, sich zu sammeln.

— Oh, Schwiegertochter, hallo! Ich war gerade in der Nähe — dachte, ich schaue mal vorbei, — ertönte Marias fröhliche Stimme, und sie trat bereits in die Diele, ohne auf eine Einladung zu warten.

— Ich habe einen Namen, — sagte Arina kühl. — Und ich komme gerade von der Arbeit.

— Ach, nur kurz! — winkte die Schwägerin ab und glitt leicht ins Wohnzimmer. — Stell dir vor, morgen Vorstellungsgespräch, und ich habe nichts zum Anziehen!

Arina schloss die Augen und begann innerlich bis zehn zu zählen.

— Und was schlägst du vor?

— Nun, deinen Kleiderschrank zu durchstöbern? — Maria öffnete bereits die Schranktüren. — Du hast so viel, dass du das vorübergehende Fehlen einer Bluse gar nicht bemerkst!

Arina lächelte kurz. Alles lief wie erwartet.

Jetzt würde das Wort „vorübergehend“ sanft in „für immer“ übergehen.

Allerdings machte Maria sich nicht einmal die Mühe mit solchen Feinheiten.

Sie nahm einfach, was sie wollte.

— Wow! — bewunderte Masha, als sie eine Seidenbluse aus dem Schrank zog. — Das ist doch Chanel! Und der Preisaufkleber ist noch dran… Wie viel kostet so ein Wunderstück?

Arina erinnerte sich, wie sie diese Bluse im Boutique gekauft und dafür zwei Monate gespart hatte.

— Fünfzigtausend.

Maria pfiff durch die Lippen.

— Weiß Kostik, dass du so viel Geld für Klamotten ausgibst?

— Ich gebe mein eigenes Geld aus, — schnitt Arina ab. — Und das sind keine Klamotten.

Die Schwägerin ging zum Schminktisch und sortierte den Schmuck.

— Sag mal, kann ich diese Ohrringe haben? Sie passen perfekt zu der Bluse!

— Nein, — antwortete Arina entschieden. — Das ist ein Geschenk meiner Mutter.

— Geizhals! — zog Maria die Lippen vor. — Und das kleine Parfümfläschchen, das ich letzte Woche genommen habe, ist leer. Gibst du mir ein neues?

— Dieses Fläschchen kostete zwölftausend.

— Na entschuldige! Woher soll ich das wissen? Bei euch ist alles so teuer, — schnaufte die Schwägerin. — Übrigens, ich habe dein silbernes Armband gesehen. Kann ich es mal tragen?

Die Tür zur Diele schlug. Konstantin kam von der Arbeit zurück.

— Meine Lieblingsfrauen! — lächelte er und blickte ins Zimmer. — Worüber sprecht ihr?

— Deine Schwester ist wieder wegen meiner Sachen hier, — verschränkte Arina die Arme.

— Na, geht’s schon los! — rollte Maria mit den Augen. — Kostik, erklär deiner Frau, dass man teilen muss. Hat dir deine Mutter das nicht als Kind beigebracht?

Arina warf ihrem Mann einen Blick zu.

Stumm bat sie ihn, sie zu unterstützen.

— Arish, na und? — zuckte Konstantin mit den Schultern. — Die Schwester hat morgen ein wichtiges Vorstellungsgespräch. Lass sie die Sachen nehmen.

— Letztes Mal hat sie Mamas Brosche „genommen“. Und nicht zurückgegeben, — sagte Arina zwischen den Zähnen.

— Du übertreibst schon wieder, — winkte der Mann ab. — Eine einfache, billige Brosche. Du hast sie bestimmt selbst irgendwo angestoßen.

— Die silberne Handwerksbrosche war nicht billig, — entgegnete Arina. — Maria, gib sie zurück.

— Ich hab nichts, — schnaufte die Schwägerin. — Sie lügt doch die ganze Zeit, Kostik!

— Weißt du was, — sprach Arina langsam und sah ihren Mann an. — Wenn sie meine Sachen nicht zurückgibt, geht sie zum Vorstellungsgespräch, wie sie gekommen ist.

— Keine Hysterie, — verzog Konstantin das Gesicht. — Siehst du doch, Maria hat nichts. Wir sind nicht reich aufgewachsen, sie möchte schöne Sachen. Gib ihr, was sie will, du wirst dadurch nicht ärmer!

Arina wusste: es war Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen.

Dieses Gespräch war zu weit gegangen.

— Ich sehe, ihr habt alles geklärt, — verschränkte sie die Arme und trat zur Tür zurück. — Dann habe ich hier nichts mehr zu tun. Esst, was ihr wollt, ohne mich.

Arina verließ die Wohnung, ohne auf die Rufe ihres Mannes zu achten.

Sie brauchte Luft, Raum zum Nachdenken.

Sie wanderte bis Mitternacht durch die abendliche Stadt und analysierte ihre Ehe.

Bei der Rückkehr nach Hause hatte sie einen Plan gefasst.

Am Morgen, nachdem Konstantin zur Arbeit gefahren war, rief Arina im Büro an und nahm sich einen freien Tag.

— Mein Gott, — riss Arina die Schranktüren auf und begann, die Kleiderbügel herauszuziehen.

— Zwei Jahre habe ich die Kollektion gesammelt, und jetzt rette ich sie an einem einzigen Tag.

Sie holte systematisch alles Wertvolle aus den Schränken:

Abendkleider, Anzüge von bekannten Designern, Schuhe aus limitierten Kollektionen.

Die Sachen wurden ordentlich in Koffer gelegt.

Nachdem sie mit der Kleidung fertig war, öffnete Arina die Kommode.

Die Ohrringe, die ihr Mann ihr zum Hochzeitstag geschenkt hatte, goldene Armbänder, eine Saphirkette – alles wanderte in ein spezielles Kästchen.

„Erst die Sachen, jetzt der Schmuck“, murmelte Arina, während sie antike Statuetten sammelte.

„Was kommt als Nächstes? Die Wohnung?“

Vasen, Figuren und andere Dekorationsstücke wurden sorgfältig in Handtücher gewickelt und in Kisten gepackt.

Alles, worauf Maria jemals ein Auge geworfen hatte, verschwand aus den Regalen.

Bis zum Mittag standen drei große Koffer und mehrere Kisten im Flur.

Arina rief ein Taxi.

„Mama, hallo“, sagte sie und umarmte die Frau, die die Tür öffnete.

„Entschuldige den plötzlichen Besuch.“

Ljudmila Sergejewna ließ ihren Blick über das Taxi schweifen, das vor dem Eingang mit Gepäck beladen stand.

„Arischa, was ist passiert?“ Ihre Augen füllten sich mit Sorge.

„Eine lange Geschichte“, seufzte Arina. „Hilf mir, die Sachen hineinzutragen, dann erzähle ich es dir.“

Die Mutter half schweigend, die Koffer und Kisten im Gästezimmer unterzubringen.

Arina zog das Jackett aus und ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken.

„Bist du von deinem Mann weggegangen?“ fragte Ljudmila Sergejewna direkt.

„Aber die Wohnung gehört doch dir.“

„Nein, Mama. Ich rette nur das, was ich mir mit eigener Arbeit verdient habe“, erzählte Arina die Geschichte von Marias Übergriffen und der Untätigkeit ihres Mannes.

„So etwas aber“, schüttelte die Mutter den Kopf.

„Aber du hast das Problem nicht gelöst, Tochter.“

„Ich weiß“, nickte Arina. „Aber jetzt brauche ich Handlungsspielraum.“

Zu Hause ging sie durch die ungewohnt leere Wohnung.

Die leeren Regale blickten sie stumm an, doch in ihrem Inneren spürte Arina eine seltsame Erleichterung.

„Mein Gebiet“, sagte sie und ließ sich mit einer Tasse Tee in den Sessel sinken.

Plötzlich klingelte es an der Tür.

Auf der Schwelle stand Maria mit ihrem unveränderlichen breiten Lächeln.

„Arisch, hallo! Ich kam hier nur zufällig vorbei…“

„Wie immer“, bemerkte Arina trocken und trat beiseite.

„Oh, ich komme gerade von einem Vorstellungsgespräch“, plapperte Maria, während sie in die Wohnung trat.

„So müde, so hungrig! Hast du nichts zum Essen?“

„Es findet sich etwas“, nickte Arina und ging in die Küche.

Während die Gastgeberin in der Mikrowelle einen Auflauf aus dem Supermarkt erwärmte, verschwand Maria unter dem Vorwand, sie müsse sich „die Nase pudern“, in den hinteren Teil der Wohnung.

Eine Minute später ertönte ein empörter Schrei aus dem Schlafzimmer:

„Arisch! Wo hast du alles hingebracht?!“ Maria stürmte mit einem vor Zorn verzerrten Gesicht in die Küche.

„Wo sind deine Kleider? Und warum hast du den Schmuck versteckt?“

Arina legte ungerührt den warmen Auflauf auf einen Teller.

„Wovon redest du?“ Sie hob die Augenbraue.

„Tu nicht so!“ Maria erhob die Stimme.

„Ich habe doch deine Chanel-Sammlung gesehen! Und diese Broschen mit den Steinen!“

„Ich weiß nichts von irgendwelchen Broschen“, zuckte Arina mit den Schultern und stellte den Teller auf den Tisch.

In diesem Moment schnappte das Schloss der Wohnungstür.

Auf der Schwelle erschien Konstantin, und hinter ihm erhob sich die massige Gestalt von Tamara Pawlowna.

„Überraschung!“ lächelte Kostja breit. „Mama hat beschlossen, zum Abendessen vorbeizuschauen!“

„Sehr unerwartet“, dachte Arina spöttisch. „Die ganze Sippe ist da.“

Tamara Pawlowna nahm sofort die Kommandoposition ein.

Die korpulente Frau marschierte in die Küche und musterte mit verächtlichem Blick das bescheidene Abendessen.

„Und das ist alles, womit du meinen Sohn fütterst?“ schüttelte die Schwiegermutter den Kopf.

„Konstantin arbeitet hart, und du servierst ihm einen Auflauf?“

„Mama, fang nicht an“, verzog Kostja das Gesicht und wich dem Blick seiner Frau aus.

Maria sprang sofort zur Mutter, packte sie am Arm.

„Mama, weißt du, was sie gemacht hat?“ flüsterte Mascha, aber laut genug, dass alle es hörten.

„Sie hat alle Sachen versteckt! Gestern waren hier noch viele Kleider und Schmuckstücke, und heute sind die Schränke leer!“

Tamara Pawlowna drehte sich langsam zur Schwiegertochter um.

Der Blick der Schwiegermutter durchbohrte sie.

„Stimmt das?“ stieß sie hervor.

„Na und?“ zuckte Arina mit den Schultern.

„Meine Sachen, mein Recht, damit zu machen, was ich will.“

„Deine Sachen?!“ fuhr Maria auf.

„Bei Kostjas Familie war schon immer alles gemeinsam! Stimmt’s, Mama?“

„Ganz genau“, presste Tamara Pawlowna die Lippen zusammen.

„In unserer Familie gab es nie dieses bourgeoise ,meins-deins‘.

Wir haben alles geteilt.“

Konstantin trat zu seiner Frau, nahm sie am Ellbogen.

„Arisch, warum hast du das getan?“ In seiner Stimme klang Vorwurf.

„Du hast doch drei Bekleidungsgeschäfte! Ist dir ein paar Kleider für Mascha wirklich zu schade?“

„Ein paar?“ Arina befreite ihren Arm.

„Konstantin, deine Schwester hat Sachen im Wert von fast einer halben Million mitgenommen!“

„Ach, sie lügt doch!“ winkte Maria ab.

„Na gut, ich habe mir ein paar Kleinigkeiten genommen.“

„Kleinigkeiten?“ Arina verschränkte die Arme vor der Brust.

„Eine Silberbrosche für vierzigtausend, ein Designer-Kleid für hundertzwanzig, ein Parfüm für zwölftausend – das sind ,Kleinigkeiten‘?“

„Egoistin!“ spie Tamara Pawlowna.

„Man hat gleich gesehen, dass du nicht aus unserem Kreis stammst!

Alle Reichen sind so – klammern sich an ihren Besitz, können nichts teilen!“

Der Sturm braute sich zusammen.

Die Schwiegermutter fuchtelte mit den Armen, erinnerte daran, wie großzügig ihre Mutter gewesen sei, die das letzte Stück Brot teilte.

Maria schluchzte und spielte das Opfer.

Konstantin sprach von Familienwerten.

Während sie das Geschrei hörte, empfand Arina ein seltsames Gefühl von Ruhe.

Als ob alle Zweifel verschwunden wären.

Sie wartete eine Pause im allgemeinen Lärm ab.

„Ihr müsst alle meine Wohnung verlassen“, sagte Arina mit fester Stimme.

„Sofort.“

Stille fiel über die Küche.

Tamara Pawlowna öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.

„Was sagst du da?!“ kam Konstantin als Erster wieder zu sich.

„Ich bin dein Mann, das ist unser gemeinsames Zuhause!“

„Nein, Kostja“, schüttelte Arina den Kopf.

„Diese Wohnung ist mein Eigentum. Ich habe sie vor unserer Ehe gekauft.“

„Du wirfst die eigene Mutter deines Mannes hinaus?“ keuchte Tamara Pawlowna empört.

„Das ist unerhört!“

„Herzlos!“ stimmte Maria ein.

„Kostik, wie konntest du so eine heiraten?“

„Arina, du weißt nicht, was du da redest“, versuchte Konstantin, seine Frau an den Schultern zu fassen.

„Wir sind doch Familie! Familie, verstehst du?“

Arina trat einen Schritt zurück.

Sie öffnete die Küchenschublade.

Holte ein Notizbuch mit Ledereinband heraus.

Sie begann vorzulesen:

„Hier die Liste der Dinge, die in den letzten Monaten aus meiner Wohnung verschwunden sind.

Diamantohrringe, achtzigtausend Rubel.

Ein Kleid fünfundvierzigtausend…“

„Mascha, stimmt das etwa?“ Konstantin starrte seine Schwester entgeistert an.

Maria quietschte, doch ihre Wangen wurden verräterisch rot.

„Sie erfindet alles!“

„Die Gesamtsumme des Gestohlenen beträgt vierhundertdreiundachtzigtausend Rubel.

Wenn ihr nicht sofort geht, rufe ich die Polizei und erstatte Anzeige wegen Diebstahls.“

Tamara Pawlowna schnappte nach Luft:

„Das wirst du nicht wagen!“

„Wollt ihr es ausprobieren?“ Arina zog ihr Telefon heraus.

Kostja packte schweigend seine Sachen, ohne ihr in die Augen zu sehen.

Maria weinte und beschuldigte sie aller Sünden.

Tamara Pawlowna zischte Flüche und versprach, allen Bekannten zu erzählen, wie herzlos Arina sei.

Eine Stunde später schlug Arina die Tür hinter der Schwiegermutter, der Schwägerin und dem Ehemann zu.

Allein geblieben, ließ sich Arina langsam auf das Sofa sinken.

Die Stille umhüllte sie, beruhigte sie.

„Vielleicht bin ich wirklich schlecht“, sprach sie in die Leere.

„Aber ich werde nicht mehr zulassen, dass man sich an mir abarbeitet.“

Das Telefon vibrierte mit einer Nachricht von Kostja:

„Ich verstehe nicht, wie du so handeln konntest. Wir haben uns doch geliebt.“

Arina löschte die Nachricht, ohne zu antworten.

Plötzlich wurde ihr klar, dass es in ihrer Beziehung keine echte Liebe gegeben hatte.

Es war Gewohnheit, Bequemlichkeit, aber kein Respekt und keine Liebe.