„Papa, die Kellnerin sieht genau aus wie Mama!“ — flüsterte das Mädchen, die Augen weit aufgerissen vor Staunen, und zeigte mit dem Finger quer durch den Raum.

„Papa, die Kellnerin sieht genau aus wie Mama!“ — flüsterte das Mädchen, die Augen weit aufgerissen vor Staunen, und zeigte mit dem Finger quer durch den Raum.

Michael erstarrte, die Gabel blieb mitten in der Bewegung hängen.

Das Stimmengewirr und das Klirren des Bestecks verstummten in seinem Bewusstsein unter dem Gewicht dieser Worte.

Langsam wandte er den Kopf dorthin, wohin seine Tochter zeigte.

Und er verkrampfte.

Am Rand des Saals stand eine junge Frau in dunkler Schürze, die etwas in ein kleines Notizbuch schrieb.

Ihr Haar war hastig hochgesteckt, ein paar Strähnen fielen lose ins Gesicht — ein Gesicht, das ihm bis ins Innerste vertraut war.

Die Form der Nase, das Kinn, ein kleines Muttermal an der Wange — alles war zum Verwechseln ähnlich.

Aber das konnte nicht sein.

Seine Frau Emily war vor fünf Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Er hatte sie zu Grabe getragen, ihre Hand im Krankenhaus gehalten und gesehen, wie das Leben sie verließ.

Er hatte unzählige Nächte ins Kissen geweint, die Tochter allein großgezogen und versucht, irgendwie weiterzumachen.

Zumindest hatte er es versucht.

Und nun stand vor ihm nicht einfach eine ähnlich aussehende Frau, sondern ein Spiegelbild.

Michaels Herz schlug panisch.

„Bleib hier“, murmelte er, strich seiner Tochter die Haare aus dem Gesicht und stand taumelnd auf.

Jeder Schritt auf die Kellnerin zu fühlte sich an wie ein Marsch durch Nebel.

Sie drehte sich um, und ihre Blicke trafen sich.

Haselnussbraune Augen. Die gleichen wie Emilys.

Sie blinzelte, lächelte leicht verlegen:

„Guten Abend, mein Herr. Kann ich Ihnen helfen?“

Sogar die Stimme war identisch.

Michaels Lippen waren trocken. „Emily?“ brachte er hervor.

Die Kellnerin zuckte zusammen, ihr Lächeln erstarb.

„Wie bitte?“ fragte sie und wich zurück. — „Sie irren sich wohl.“

„Nein… das ist unmöglich“, murmelte er. — „Sie sind das Ebenbild meiner Frau. Aber sie… sie starb vor Jahren.“

Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht.

Aus Verlegenheit wurde Anspannung — vielleicht sogar Angst.

„Es tut mir leid um Ihren Verlust, Herr“, sagte sie leise. — „Aber mein Name ist Elise.“

Michael glaubte ihr nicht.

Er zog das Handy hervor und zeigte ein Foto: Emily in der Küche, ein Baby auf dem Arm, lachend.

„Das ist sie. Das sind Sie“, sagte er.

Elise beugte sich vor, ihre Finger zitterten sichtbar.

Dann richtete sie sich auf. „Nein. Das bin ich nicht.“

Michael blieb regungslos stehen, ihm fehlte die Luft.

Da sah er es — ein halbmondförmiges Muttermal an ihrem Handgelenk, genau wie bei Emily.

Bevor er sprechen konnte, drehte sie sich um und verschwand durch die Küchentür.

Michael kehrte benommen an den Tisch zurück, Gedanken wirbelten durcheinander.

Seine Tochter zupfte ihn am Ärmel:

„Papa… war das wirklich Mama?“

„Ich weiß es nicht“, hauchte er, den Blick auf die Tür geheftet. — „Aber ich finde es heraus.“

Er wartete.

Hand in Hand mit seiner Tochter hörte er nur sein Herz schlagen, während die Minuten verrannen.

Doch Elise kam nicht wieder.

Ein anderer Kellner trat heran und erklärte, sie sei nach Hause gegangen.

„Einfach gegangen? So?“

Michael sprang auf, nahm seine Tochter und eilte zum Restaurantleiter.

„Die Kellnerin vom Tisch acht, Elise. Ich brauche ihre Adresse. Es ist sehr wichtig.“

Der Mann zögerte. „Es tut mir leid, Herr, aber wir dürfen keine persönlichen Daten herausgeben.“

Michael legte eine Visitenkarte hin. „Mein Name ist Michael Callahan. Ich bin Anwalt. Aber das ist nicht der Punkt — sie könnte meine Frau sein, die alle für tot hielten. Ich bin nicht verrückt. Helfen Sie mir.“

Der Leiter schwankte, musterte Karte und Gesichtsausdruck.

Dann kritzelte er etwas auf einen Zettel und reichte es Michael.

„Sie wohnt in Rivergate, ganz oben in einem alten Backsteinhaus.“

Michael verlor keine Zeit.

Er setzte seine Tochter ins Auto und fuhr durch die dunkle Stadt in das stille Viertel.

Das Haus erkannte er sofort — von Efeu überwuchert, mit verrostetem Tor und flackernder Laterne am Eingang.

Er stieg die Stufen hoch und klopfte.

Keine Antwort.

Er klopfte erneut, fester.

Schließlich öffnete sich die Tür einen Spalt.

Elise — nein, Emily — stand da, bleich, mit verweinten Augen.

Tränen liefen über ihre Wangen.

Das Muttermal war nicht mehr verborgen.

„Es bist wirklich du“, flüsterte Michael. — „Warum? Warum hast du uns glauben lassen, dass du tot bist?“

Emily senkte den Blick, schluchzte stärker und öffnete die Tür weiter:

„Kommt herein.“

Michael trat ein, die Tochter fest an der Hand.

Die Wohnung war schlicht, aber ordentlich, erfüllt vom Duft nach Lavendel.

Auf einem Regal stand nur ein einziges Foto: Emily mit einem Neugeborenen — doch nicht mit ihrer gemeinsamen Tochter.

„Ich bin nicht gestorben“, sagte sie schließlich stockend. — „Ich bin geflohen.“

Michael rang nach Luft. „Warum? Wir haben dich geliebt. Du warst glücklich.“

Sie schüttelte den Kopf. „Du dachtest das. Aber du kanntest nicht die Wahrheit. Der Unfall war echt, aber nicht alles andere. An jenem Abend verlor ich die Kontrolle, weil ich gerade aus dem Krankenhaus kam. Dort hatte ich erfahren, dass ich schwanger war… von einem anderen.“

Michael presste die Kiefer aufeinander. „Was meinst du damit?“

„Ich hatte Angst“, flüsterte sie. — „Ein Fehler, nur einmal. Aber ich konnte dir nicht in die Augen sehen. Deshalb ließ ich alle glauben, dass ich nicht mehr lebe.“

Michael fand keine Worte.

Die Tochter schaute ihn fragend an.

Emily ging ins Nebenzimmer und kam mit einem fünfjährigen Jungen zurück, mit denselben braunen Augen und lockigem Haar.

„Das ist Evan. Dein Stiefsohn“, sagte sie leise.

Die Stille im Raum war erdrückend.

Michael trat näher.

„Du hast mich zerstört“, sagte er. — „Aber jetzt bist du hier. Unsere Tochter muss ihre Mutter kennen. Und er seine Schwester.“

Emily brach in Tränen aus und sank auf die Knie.

Michael kniete neben ihr.

„Ich weiß nicht, ob ich dir jemals verzeihen kann“, gab er zu.

„Ich erwarte es nicht“, hauchte sie.

„Aber vielleicht…“ Er blickte auf die Kinder, die sich an den Händen hielten. — „…können wir etwas Neues aufbauen. Diesmal auf der Wahrheit.“

Draußen dämmerte der Morgen.

Drinnen schlugen vier Herzen — verletzt, doch wieder vereint.