AUFGEWACHSEN IN PFLEGEFAMILIEN HAT STEVE JAHRELANG NACH DER MUTTER GESUCHT, DIE ER NIE GEKANNT HAT.
Als er sie schließlich fand, waren ihre ersten Worte nicht: „Ich habe dich vermisst.“
Stattdessen sagte sie: „Ich denke, du bist wegen dem im Keller gekommen,“ was zu einer erschütternden Konfrontation mit der Vergangenheit führte.
Seit zwanzig Jahren fragte ich mich, wie es wäre, meiner Mutter direkt in die Augen zu sehen und zu fragen: Warum hast du mich verlassen?
Jede Pflegefamilie, jeder neue Anfang war eine schmerzhafte Erinnerung an die Leere, die sie hinterlassen hatte.
Ich klammerte mich an den zerbrechlichen Glauben, dass sie keine andere Wahl hatte, dass sie mich tief im Inneren liebte, auch wenn sie nicht bei mir bleiben konnte.
Ihre Wiegenlieder verfolgten mich, in mein Gedächtnis eingebrannt wie eine Melodie, die mich trösten sollte, mich aber stattdessen an all die verlorenen Momente erinnerte: Geburtstage, Weihnachtsmorgen, aufgeschlagene Knie und tränenreiche Nächte.
Mit 18 begann ich, nach ihr zu suchen.
Ich hatte weder Fotos noch einen vollständigen Namen; nur „Marla“ und den Klang ihrer Stimme.
Ich durchsuchte Adoptionsarchive, engagierte Privatdetektive und gab Geld für Datenbanken aus, doch jede Spur verlief sich, ließ mich nur mit unbeantworteten Fragen zurück und einem Willen, der nicht sterben wollte.
Die Entdeckung
Einige Wochen nach meinem 20. Geburtstag machte ich eine Entdeckung.
Sharon, eine Pflegemutter, die mir am nächsten zu einer echten Mutter war, gab mir einen Umschlag, den sie unter meinen Kindheitssachen gefunden hatte.
Auf der Rückseite eines alten Dokuments war mit verblasster Tinte ein Name und eine Adresse geschrieben: Marla.
„Vielleicht hilft dir das weiter,“ sagte Sharon mit schuldbewusster Stimme.
„Ich dachte, es sei nicht meine Sache, dir das früher zu sagen. Es tut mir leid.“
Der Name fühlte sich wie ein Ausweg an.
Mein Herz schlug wild, während ich die Adresse betrachtete, nur zwei Stunden entfernt.
Ich kaufte mir einen schlichten, aber respektablen Anzug und einen Strauß Margeriten, ohne zu wissen, ob das ihre Lieblingsblumen waren.
Dann fuhr ich mit einer Mischung aus Hoffnung und Angst zu ihrem Haus.
Das Haus war alt und heruntergekommen, mit abgeblätterter brauner Farbe und einem Türklopfer aus Bronze, den die Zeit gezeichnet hatte.
Meine Beine zitterten, als ich an die Tür klopfte.
Die Tür öffnete sich und offenbarte eine Frau mit tiefen Falten und silbernem Haar.
Doch es waren ihre Augen, meine Augen, die mich trafen. Sie hatten denselben tiefen Schmerz.
„Bist du Marla?“ fragte ich mit zitternder Stimme.
Sie sah mich an, mit einem undurchdringlichen Ausdruck.
„Ich denke, du bist wegen dem im Keller gekommen,“ sagte sie.
Der Keller
Am Ende der Treppe stand eine alte Truhe, deren rostige Scharniere quietschten, als sie sie öffnete.
Drinnen waren Fotos, Hunderte von Fotos. Jedes davon zeigte mich.
Mir stockte der Atem.
Bilder aus jeder Phase meines Lebens: als Kind, als Jugendlicher. Jemand hatte mich die ganze Zeit über beobachtet.
„Ich habe dich beobachtet,“ gab sie zu.
„Ich musste wissen, dass es dir gut geht.“
Ihre Worte trafen wie ein Messer.
„Du hast mich beobachtet? Du hast mich verlassen, mich im System verloren gehen lassen, und jetzt sagst du mir, du hättest mich beobachtet?“
„Ich wollte zu dir zurückkehren,“ sagte sie mit Tränen in den Augen.
„Aber dein Vater war gefährlich. Ich dachte, dich zu verlassen sei der einzige Weg, dich zu schützen.“
Das Ende
Ich sank auf die unterste Stufe, den Kopf in den Händen.
„Ich weiß nicht, ob ich dir vergeben kann,“ sagte ich schließlich.
„Das erwarte ich nicht,“ antwortete sie.
„Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben.“
Wir saßen in der Stille des Kellers, umgeben von der Schwere unserer Geschichte.
Es war keine Lösung, aber es war ein Anfang, ein zaghafter Schritt zur Heilung von Wunden, die viel zu lange offen geblieben waren.