Anna erstarrte auf der Schwelle, und eine kalte, stählerne Platte des Unverständnisses bohrte sich unter ihre Rippen.
Die Tür war einen Spalt geöffnet. Nur ein paar Zentimeter, aber das störte die ganze Ordnung der Welt.

Die Schwiegermutter, Margarita Stepanovna, eine Frau mit eiserner Disziplin und Prinzipien, hatte vergessen, die Datscha abzuschließen? Das war undenkbar. So etwas passierte nie. Niemals.
Sie schob die Tür auf, und das alte Holz gab mit einem leisen, fast lebendigen Stöhnen nach, das sie in die stille, erstarrte Luft des Hauses ließ.
Der Geruch traf sie zuerst in die Nase — nicht der vertraute Duft von altem Holz, Bodenwachs und getrockneter Minze, sondern ein schwerer, abgestandener, süßlich-ranziger Geruch fremder Anwesenheit.
Anna verharrte und lauschte der Stille. Sie war dicht, klingend, aber nicht leer. In ihr pulsierte fremdes Leben.
Die Veranda sah aus, als hätte ein Haufen Plünderer gewütet.
Auf dem groben Holztisch standen zwei Tassen mit trübem Kaffeerest, in einer schwamm eine schleimige braune Kaffeesatzschicht.
Ein Teller mit vertrockneten Nudeln und ein versteinertes Stück Brot lagen daneben.
Auf dem Boden lag ein Pullover — dunkel, zerknittert, die Ärmel unnatürlich nach außen gedreht, als hätte jemand hastig und kräftig versucht, ihn auszuziehen.
Anna überkam eine eisige, übelkeitserregende Angst. In ihrer Familie lebte man so nicht.
Hier herrschte perfekte Ordnung, jedes Ding kannte seinen Platz. Es war ihre feste, verlässliche kleine Welt — und jetzt war sie entweiht, aufgebrochen.
Wer? Ein Landstreicher auf der Suche nach einer Unterkunft? Tollpatschige Jugendliche? Gedanken wirbelten wie verängstigte Vögel.
Im Keller gab es Vorräte — Getreide, Konserven, Gläser mit eingelegtem Gemüse, von der Schwiegermutter für „schlechte Zeiten“ aufgehoben.
Anna und Alex hatten über ihre Vorratshaltung nur gelächelt, bis vor einem Jahr eine Überschwemmung sie zwei Wochen lang von der Außenwelt abgeschnitten hatte. Damals waren diese Gläser ihre Rettung.
Und plötzlich durchfuhr sie ein anderer Gedanke, scharf wie ein Rasiermesser, das das Blut in den Adern stocken ließ.
Was, wenn Alexei? Was, wenn er nicht auf Geschäftsreise ist? Was, wenn er hier ist, hinter genau jener Tür, die ins Wohnzimmer führt, mit einer… anderen?
Und diese Tasse, dieser Pullover — alles Spuren ihrer Sünde, ihres geheimen Verstecks?
Anna legte die Hand an den Mund, um nicht zu schreien.
Nein, das war Paranoia! Sie waren erst seit zwei Jahren verheiratet, er liebte sie, er würde nie… Aber rationale Argumente versanken in panischer, animalischer Angst.
Plötzlich ertönte ein Geräusch aus dem Wohnzimmer.
Leise, kaum hörbar, ein Quietschen. So quietscht die Feder eines alten Sofas, wenn sich jemand darauf setzt.
Jemand war dort. Genau jetzt.
Ihr Herz raste, schlug verzweifelt gegen den Brustkorb.
Die Beine wurden weich wie Watte. Sie musste weglaufen, um Hilfe rufen, aber eine unbekannte Kraft — eine Mischung aus Verzweiflung, Eifersucht und brennender Neugier — zog sie vorwärts.
„Es wird schon gutgehen“, flüsterte sie sich selbst zu und öffnete die Tür mit einem tiefen Atemzug ruckartig.
Die Luft im Raum war abgestanden, nach Schlaf riechend.
Auf dem grünen Sofa, eingehüllt in eine karierte Decke, schlief ein Mädchen.
Sehr jung, fast noch ein Kind. Ein Strahl der Frühlingssonne, der durch das staubige Fenster fiel, vergoldete ihr zerzaustes, blondes Haar, das auf dem Kissen lag.
Ein süßes, kindliches Gesicht mit Grübchen auf den Wangen und einer kecken Stupsnase.
Das Mädchen murmelte etwas im Schlaf, wälzte sich unruhig und zog die Decke fester um sich, als sei ihr kalt.
Plötzlich öffneten sich ihre Augen — trüb, schläfrig, blau wie Kornblumen.
Sie trafen Annas Blick.
— Mama, bist du das? — flüsterte sie mit einer Stimme, schwer vom Schlaf. — Ich bin ganz nass vom Regen geworden und eingeschlafen…
Sie lächelte selig über etwas Eigenes, schloss die Augenlider wieder und versank erneut in den Schlaf, als sei nichts geschehen.
Als wäre Annas Erscheinen das normalste Ereignis der Welt.
Die Welt um Anna herum begann zu schwanken, wirbelte, zerbrach in Milliarden Scherben.
Sie stolperte zurück, ihr Rücken schlug schmerzhaft gegen den Türrahmen.
Das war nicht ihr Sofa. Es war braun.
Die Wände hatten einen anderen Farbton.
Das war nicht ihr Haus!
Sie stürzte nach draußen, kämpfte gegen die eisigen Windböen und fiel fast auf die Bank an der Veranda.
Und wieder traf sie etwas — diese Bank existierte hier auch nicht!
Nur zwei Baumstümpfe und darauf ein frisches, noch nach Harz riechendes Holzstück.
Ihr Kopf drehte sich. Anna schloss die Augen, um die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
„Zähle bis zehn“, hallte die sanfte Stimme ihrer Großmutter in ihrem Kopf. „Langsam. Und alles wird wieder gut.“
Sie gehorchte. Eins… zwei… beim dritten Atemzug beruhigte sich ihr Atem… beim zehnten — kehrte die Welt langsam an ihren Platz zurück.
Sie öffnete die Augen.
Sie saß auf genau dem neuen Holzscheit, das am Wochenende Alexej und sein Vater aufgestellt hatten.
Im Taschen vibrierte das Handy.
— Anja, wo bist du? Ich versuche es zum dritten Mal! Alles in Ordnung? — Es war Alexej, und seine Stimme, so vertraut und besorgt, holte sie zurück in die Realität.
Sie stotterte und verhedderte sich in ihren Worten, als sie ihm von der offenen Tür, dem Durcheinander und von der schlafenden Fremden auf dem grünen Sofa erzählte.
— Das kann nicht sein! — staunte ihr Mann aufrichtig. — Wer sollte dort sein wollen? Bist du sicher? Vielleicht hast du es dir eingebildet?
— Aber ich habe es doch mit eigenen Augen gesehen! Sie… sie hat mich Mama genannt! — Annas Stimme rutschte in einen kreischenden Ton.
— Anjuschka, Liebes, vielleicht hast du zu viel gearbeitet? Warum bist du alleine dorthin gefahren? Wolltest du eine Überraschung machen? Hör zu, sollen wir vielleicht Papa anrufen, dass er dich abholt? Ich bin doch erst morgen dran. Und außerdem, Schatz, wir haben im Wohnzimmer ein braunes Sofa, kein grünes, du hast es doch selbst ausgesucht, — er sprach so sanft und fürsorglich, dass Anna sich wieder für ihre wilden Verdächtigungen schämte.
Sie warf einen Blick zur halb geöffneten Tür.
Im Lichtstreifen war eine Ecke… des braunen Sofas zu sehen. Kein Mädchen. Alles war sauber und leer.
Konnte es wirklich nur Einbildung gewesen sein?
Sie fuhr nach Hause, ohne sich zu entscheiden, zu bleiben.
Der seltsame Vorfall verblasste allmählich aus ihrem Gedächtnis, überdeckt vom Alltag, und bald von einer wunderbaren Nachricht — Anna erfuhr, dass sie schwanger war.
Jahre vergingen. Ein ganzes Leben.
Die Geschichte mit dem Ferienhaus wurde zu einer verschwommenen, fast märchenhaften Erinnerung, an die Anna selbst kaum noch glaubte.
Es schien, als sei es nur ein seltsamer Traum im Wachzustand gewesen, ein Spiel des müden Geistes.
Ihre Tochter, Sonechka, wuchs heran — rosig, fröhlich, mit zwei schneeweißen Schleifen in hellen, leinenfarbenen Zöpfen.
Dann wurden die Zöpfe durch einen modischen Bob ersetzt, und die Schleifen durch Kopfhörer.
Und nun feierte ihre Sonja, groß, schlank und schön, mit den gleichen kornblumenblauen Augen und der frechen Stupsnase, ihren sechzehnten Geburtstag.
— Mama, lass uns den Geburtstag im Ferienhaus feiern! Es ist schon warm, wir können ein Lagerfeuer machen! Meine Freunde kommen, und… und Mitya Nazarov wird auch da sein. Darf ich, Mama? — Sonja sah sie bittend an, und Anna konnte nicht widerstehen.
Der Plan wurde genehmigt.
Alexej sollte, wie immer, am Freitagabend von einer Geschäftsreise zurückkehren, und Sonja hatte ihn überredet, ihr zu erlauben, alleine früher zu fahren, um alles für die Party vorzubereiten.
Mitya, der Sohn ihrer alten Freunde, der nun den Führerschein hatte, sollte sie am Bahnhof abholen.
Am Freitag, nachdem Anna ihre Aufgaben erledigt hatte, fuhr sie zum Ferienhaus, um ihrer Tochter zu helfen.
Es roch nach nasser Erde, Gras und Frische.
Nach dem kürzlichen Regen glänzte alles in smaragdgrünem Glanz.
Mityas Auto war nicht am Tor.
Anna betrat das Haus.
Stille.
Und wieder… genau das gleiche, schmerzlich vertraute Bild.
Die Tür stand weit offen.
Auf der Veranda hing auf einem Stuhl Sonjas nasse, durchweichte Jacke.
Auf dem Tisch stand eine Tasse mit halb getrunkenem Tee.
Eine eisige Hand packte Annas Herz.
Fast ohne zu atmen trat sie ins Wohnzimmer.
Und erstarrte.
Auf dem grünen Sofa, eingehüllt in die karierte Decke, schlief ihre Tochter.
Ihr helles Haar lag zerzaust auf dem Kissen, die Wangen glühten vor Röte.
Der Raum war von demselben goldenen Licht durchflutet.
Die Feder knarrte, Sonja bewegte sich und öffnete leicht die Augen. Kornblumenblau, schläfrig.
— Mamaaa, wie schön, dass du gekommen bist! — ihre Stimme war noch vom Schlaf schwer, genau wie damals vor vielen Jahren. — Stell dir vor, Mityas Auto ist liegen geblieben, ich bin vom Bahnhof zu Fuß durch den Wald gegangen, im Regen. Ganz durchnässt, schrecklich kalt. Mitya kam später, hat mir Tee gegeben, ist jetzt los, um Medizin zu holen, ich musste niesen. Mama, er ist so fürsorglich… und magst du ihn?…
Sie saß in der Decke eingehüllt auf dem grünen Sofa. Auf genau diesem.
Sie hatten es vor fünf Jahren gekauft, als das alte braune Sofa endgültig auseinanderfiel.
„Ich habe das schon einmal gesehen“, flüsterte Anna in sich hinein, und Gänsehaut lief ihren Rücken hinunter.
Keine Angst, sondern ehrfürchtiges, seelenerschütterndes Staunen vor dem Wunder.
Dieser Tag. Die Geräusche. Das Knarren. Das schlafende Mädchen. Das Wort „Mama“.
Es war keine Halluzination.
Es war ein flüchtiges Fenster, ein Riss in der Zeit, durch den ihr ihre Zukunft gezeigt wurde.
Ihre Tochter wurde ihr gezeigt.
Am Abend versuchte sie, Alexej alles zu erzählen.
— Ach, Anjuschka, meine Liebe, — lachte er nur, umarmte sie. — Schön wie immer und eine fantastische Träumerin noch dazu. Du änderst dich nicht.
Anna bestand nicht weiter.
Männer glauben selten an so etwas.
Aber sie wusste es jetzt genau.
Sie hatte das Spiegelbild von morgen gesehen.
Und das Sofa war damals grün. Absolut grün.
Wunder geschehen.
Nur nicht jeder bekommt sie zu sehen.